Thorsten Portisch fühlt sich als wirtschaftspolitischer Sprecher der FWG-Fraktion nach der letzten Stadtratssitzung stark an Ephraim Kishons Satire „Der Blaumilchkanal“ erinnert. In dem 1971 veröffentlichen Text wird eine vollkommen überforderte Bürokratie beschrieben die quasi ohne jede verlässliche Information agiert. Bereits zur Sitzung des Bauausschusses im Juni habe die FWG-Fraktion angefragt, welche Wertveränderung sich bei den Immobilien Rathauscenter und Rathausturm zum heutigen Zeitpunkt im Vergleich zum Zeitpunkt des jeweiligen Erwerbs ergeben habe. Als Antwort habe man eine buchhalterisch sicher korrekte aber sachlich unzureichende Antwort erhalten. Tenor: Die Immobilie sei faktisch abgeschrieben, die Rückbauarbeiten beim Rathausturm weit fortgeschritten.
Interessant sei allerdings die damalige Anmerkung der Verwaltung gewesen: „eine tiefgründigere Recherche zum Rathaus-Turm (Verwaltungsgebäude Rathaus) ist aktuell aus Kapazitätsgründen von 2- 114 nicht leistbar (hier wäre in zahlreichen Altakten zu recherchieren).“
Zur Beantwortung der zweiten gestellten Anfrage „Welche Veränderungen ergeben sich im Gutachten des Büros Drees und Sommer bei der Verwendung aktueller Parameter /Preise?“ welche auf die Aktualisierung einer vorhandenen Exceltabelle seitens des Baudezernats zielte, habe dieses offensichtlich „keinen Bock „ gehabt, so Portisch – Antwort: „Der Abbruch des Rathauscenters ist weit fortgeschritten… Vor dem Hintergrund des dargestellten Abrissfortschrittes sehen wir diese Frage daher als nicht relevant an“.
Es sei fachlich völlig unstrittig, dass der Binnenwert von Bestandsimmobilien durch veränderte Rahmenbedingungen im Bausektor und am Baufinanzierungsmarkt in den vergangenen Jahren stark gestiegen sei. Auch habe sich die klimapolitische Beurteilung von Baumaßnahmen in jüngerer Vergangenheit stark geändert und werden Ausgleichszahlungen zur Kompensation von Umweltschäden verlangt. Laut Portisch sei es deshalb unerlässlich zu prüfen ob der Erhalt einer so herausragenden Bestandsimmobilie wie sie das RathausCenter darstelle dem wirtschaftlichen Spielraum der Stadt dienen könne. Eine aktuelle Prüfung sei daher vor Abriss bzw. Rückbau unabdingbar, da sich die im Drees und Sommer beschriebene Faktenlage als Grundlage des damaligen Stadtratsbeschlusses zum Abriss des Gesamtkomplexes grundlegend geändert habe. Die bisher vorgenommenen Entkernungen wären schließlich auch im Alternativszenario des Erhalts angefallen. Anders als vom Baudezernat dargestellt liege derzeit kein Abbruch vor.
Die Fraktionen der Freien Wählergruppe Ludwigshafen FWG, der Linken und von Grünen und Piraten hätten sich daher entschlossen für die vergangene Stadtratssitzung einen Prüfantrag zu stellen. Gegenstand dabei war die Feststellung der Gebäudesubstanz des Rathauscenters.
Bewusst setzte man nicht beim Rückbau des Rathausturmes an und hoffte für die Stadtratssitzung auf das Einsetzen einer konstruktiven Neubewertung der gegebenen Situation über weitere Fraktionsgrenzen hinweg. Der Bau der Stadtstrasse sei bekanntlich kein Hinderungsgrund für den Erhalt des vorhandenen Rathauskomplexes und schließlich habe sich die CDU mit guten Argumenten lange Zeit gegen einen Abriss gestemmt. Inzwischen seien es gerade diese Argumente welche besonders aus wirtschaftlicher Sicht an Bedeutung gewonnen hätten. Zudem sei die Verschwenkung zur Beschleunigung des Verfahrens nicht erforderlich. Die BASF ordne das gesamte Strassenprojekt Helmut-Kohl-Allee „als von nachgelagerter Bedeutung“ ein und seitens Bund und Land fehle jede Unterstützung bei der Übernahme anfallender Mehrkosten.
„Das nachhaltigste (‚grünste‘) Gebäude ist das, das bereits gebaut ist.“ – diese Aussage komme vom derzeit allgegenwärtig zitierten Architekten Carl Elefante. Nach Expertenmeinung sollen sich laut Portisch in den kommenden Jahren ca. 90 (!!!)% der Projektentwicklungen auf Sanierung und Wiedernutzung von Bestandsimmobilien konzentrieren. Innenstädte auf der gesamten Welt würden derzeit nach diesem Muster neu ausgerichtet. Die Ablehnung einer Prüfung der vorhandenen Bausubstanz seitens der „Alt-Grünen“ im Rat sei für ihn daher nicht nachvollziehbar. Selbstverständlich gäbe es eine Nachnutzung desKomplexes nicht zum Nulltarif. Die bereits ausgeführten Entkernungen wären in jedem Fall erforderlich gewesen. Auf die Stadt kämen in jedem Szenario Kosten in Millionenhöhe zu – entscheidend sei jedoch wie viel in Summe schließlich dabei herauskäme. Stadtratsbeschlüsse seien keine Blankoschecks.
Noch sei die Chance da, die einstige Entscheidung zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Die einst aus den Reihen des Baudezernats nachgereichte Idee der Verschwenkung der Stadtstrasse dürfe nach seiner Auffassung jedoch nicht aus einem Automatismus heraus zur Verschwendung von Bürgervermögen führen. Ludwigshafen brauche keine Baubürokratie in der Tradition des Blaumilchkanals von Ephraim Kishon, meint Thorsten Portisch als wirtschaftspolitischer Sprecher der FWG-Fraktion.